OIV-definition des Rückgangs der Rebenvitalität und Empfehlungen für seine Eindämmung
RESOLUTION OIV-VITI 653-2021
OIV-DEFINITION DES RÜCKGANGS DER REBENVITALITÄT UND EMPFEHLUNGEN FÜR SEINE EINDÄMMUNG
DIE GENERALVERSAMMLUNG,
AUF VORSCHLAG der Kommission I „Weinbau“ und der Sachverständigengruppe „Rebschutz und Weinbautechniken“ und nach Prüfung der ernsthaften Probleme, die mit dem Rückgang der Rebenvitalität verbunden sind, der durch mehrere biotische Faktoren verursacht wird, wie z.B. Pilze, Bakterien, Phytoplasmen, Viren, durch abiotische Faktoren wie Wetterextreme und durch Faktoren im Zusammenhang mit Weinbaupraktiken,
GESTÜTZT auf Artikel 2 b) i und c) iii des Übereinkommens zur Gründung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein und die Ziffern 1.a.iii, 1.c.iii, und 1.f. des Strategieplans 2020 - 2024 im Zusammenhang mit der Förderung eines umweltfreundlichen Weinbaus und der Berücksichtigung und den Reaktionen auf die Herausforderungen des Klimawandels,
GESTÜTZT auf die Resolutionen OIV-VITI 2-2006 und OIV-VITI 3-2006 über die Maßnahmen zur Verhinderung oder Begrenzung der Ausbreitung von Holzkrankheiten der Rebe und Phytoplasmen,
GESTÜTZT auf das gemeinsame Gutachten der OIV „Holzkrankheiten der Rebe – ein Überblick“, das von der OIV 2016 veröffentlicht wurde,
IN DER ERWÄGUNG, dass der Rückgang der Rebenvitalität weltweit ein immer stärker verbreitetes Problem ist und dass die Hauptursachen für die verminderte Produktion und die Mortalität durch zahlreiche miteinander verknüpfte Faktoren bedingt sind:
- Umweltfaktoren wie die Auswirkungen des Klimawandels und andere Umweltbelastungen und -auflagen sowie unzureichende Kenntnis der Anpassungstechniken,
- Der fortschreitende Verlust der genetischen Vielfalt der derzeit verwendeten Reben, der die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Reben an biotischen und abiotischen Stress einschränken kann, wobei die Auswirkungen des Stresses durch das Zusammenwirkungen dieser Faktoren noch verschärft werden können,
- biologische Faktoren wie latente, neu auftretende und offenkundige Krankheiten,
- ungeeignete weinbauliche Praktiken aufgrund wirtschaftlicher Zwänge (Rentabilität ohne Nachhaltigkeit, Markttrends, usw.) und des Fehlens kontinuierlicher Schulungen in Bezug auf bewährte Verfahren und den neuesten Wissensstand,
IN DER ERWÄGUNG, dass der Rückgang der Rebenvitalität zu einem erheblichen und anhaltenden Produktionsrückgang und/oder zu einem vorzeitigen, plötzlichen oder allmählichen Absterben der Reben führen kann, was einen erheblichen Produktivitätsverlust und eine Verminderung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Weinbausektors zur Folge hat,
IN ANBETRACHT der unzureichenden Kenntnisse der Akteure des Weinbausektors in Bezug auf die Symptomatik und die Folgen des Rückgangs der Rebenvitalität,
IN DER ERWÄGUNG, dass Präventiv- und Abhilfemaßnahmen nicht immer ausreichend wirksam sind,
IN DER ERWÄGUNG, dass eine bessere Kommunikation und fachliche Schulung zu gewährleisten sind, um ausreichend wirksame und nachhaltige Weinbaupraktiken zu entwickeln,
BESCHLIESST, den Rückgang der Rebenvitalität wie folgt zu definieren:
„Der Rückgang der Rebenvitalität ist trotz vorübergehender Latenzphasen ein fortschreitendes und anhaltendes Syndrom, bei dem die Pflanzenvitalität abnimmt, was sich negativ auf die Produktivität der Reben auswirkt und zu einem allmählichen oder plötzlichen Absterben der Reben führen kann.
Bei diesem Syndrom oder Zustand spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, die zu einer fortschreitenden Schwächung der Rebe und zu einer Reihe von Symptomen führen, die durch drei Hauptgruppen von Faktoren verursacht werden können:
- Biotische Faktoren: verschiedene Pilze, Bakterien, Phytoplasmen und Viren, die an der infektiösen Degeneration der Reben beteiligt sind
- Abiotische Faktoren: Umweltstress, der durch das Klima (u.a. Wasserstress, Hitzestress, Frost, Hagel) und bodenbezogene Faktoren verstärkt wird
- Weinbaupraktiken und menschliche/soziale Faktoren: Faktoren im Zusammenhang mit den Produktionsstrategien und -praktiken, bedingt durch rechtliche und wirtschaftliche Zwänge.“
Ohne Prophylaxe- und Kontrollmaßnahmen, die die Virulenz des Rückgangs der Rebenvitalität begrenzen und verzögern können, besteht die Gefahr, einen irreversiblen Prozess mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den Weinbausektor auszulösen.
EMPIEHLT
- den Mitgliedstaaten der OIV:
- Erstellung einer nationalen Bestandsaufnahme der Faktoren, die im Hinblick auf die Rebsorten und Unterlagen für den Rückgang der Rebenvitalität verantwortlich sind,
- Entwicklung eines (harmonisierten) Überwachungsverfahrens und regelmäßiger Updates zur Situation des Rückgangs der Rebenvitalität: seine Verteilung, das Ausmaß und die Schwere seines Auftretens sowie die Auswirkungen auf die Produktivität,
- Einrichtung eines digitalen Netzwerks in jedem Mitgliedstaat unter Beteiligung aller Akteure des Weinbausektors, um den aktuellen Stand und die Entwicklung des Rückgangs der Rebenvitalität in den Weinbauregionen zu überwachen und Frühwarnungen abgeben zu können, indem dem Sektor technische Informationen zu diesem Thema übermittelt werden,
- Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Rückgangs der Rebenvitalität auf Weingüter durch die Entwicklung geeigneter Wirtschaftsindikatoren,
- Förderung der Durchführung von gemeinsamen und individuellen Aktionen zur Bekämpfung des Vitalitätsverlusts und der Mortalität der Rebe auf internationaler Ebene, um zu ermöglichen, dass diese Maßnahmen skaliert und wirksam werden können.
- Förderung der Forschungsarbeit zur Verbesserung des Verständnisses des Vitalitätsverlusts und der Mortalität der Rebe, um Methoden zur Eindämmung und Kontrolle zu stärken,
- Förderung der Schaffung eines internationalen wissenschaftlichen Netzwerks, da eine der wesentlichen Unzulänglichkeiten die mangelnde Koordinierung zwischen den Akteuren des Weinbausektors ist.
- den Weinbauländern:
- den Austausch und die Anwendung technischer und wissenschaftlicher Fähigkeiten im Rahmen eines gemeinsamen Arbeitsprogramms zu fördern, an dem sich alle betroffenen nationalen Stellen und Berufsgruppen, von der Pflanzenproduktion bis hin zum Handel mit Weinbauerzeugnissen, beteiligen,
- einen umfassenden und globalen Ansatz zur Förderung multidisziplinärer Projekte zur Untersuchung abiotischer und biotischer Faktoren zu gewährleisten, die die Hauptursache für das Auftreten und die Ausbreitung des Vitalitätsverlusts der Reben sind. Durch die Forschungsarbeiten müssen Ergebnisse bereitgestellt werden, die eine Anpassungsstrategie ermöglichen, die auf Programmen zur Ausbildungsunterstützung und der Einführung bewährter Managementverfahren durch alle Akteure beruht,
- auf allen Ebenen, einschließlich der territorialen Verwaltungsebene, tätig zu werden, um die Akteure des Weinbausektors zu unterstützen und ihnen die notwendigen Schulungen und technischen Hilfsmittel zur Verhinderung oder Eindämmung des Rückgangs der Rebenvitalität bereitzustellen.