Empfehlungen der OIV zur Eindämmung des Ausbruchs von flavescence dorée der Rebe
RESOLUTION OIV-OENO 758-2028
EMPFEHLUNGEN DER OIV ZUR EINDÄMMUNG DES AUSBRUCHS VON FLAVESCENCE DORÉE DER REBE
DIE GENERALVERSAMMLUNG,
AUF VORSCHLAG der Kommission 1 „Weinbau“ und nach Kenntnisnahme der Arbeiten und Beschlüsse der Sachverständigengruppe „Rebschutz und Weinbautechniken (PROTEC)“ in Bezug auf die anhaltenden Epidemien, die durch Flavescence dorée (FD) verursacht werden, und der schwerwiegenden pflanzengesundheitlichen Probleme, die diese Krankheit für die betroffenen Weinbaugebiete mit sich bringt und in Zukunft mit sich bringen kann,
GESTÜTZT auf Artikel 2 Absätze 2b i und c iii des Übereinkommens vom 3. April 2001 zur Gründung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein, in Übereinstimmung mit den Leitlinien des Strategieplans 2025-2029 der OIV, unter Bezugnahme auf den wissenschaftlichen Schwerpunkt 2 „Förderung eines resilienten und nachhaltigen Weinbaus“ und den damit verbundenen Schwerpunkt „2.2. Schutz der Reben gegen bedeutende Bedrohungen durch Schädlinge und Krankheiten“,
GESTÜTZT auf die OIV-Resolution VITI 3/2006, in der eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung von Vergilbungskrankheiten der Rebe (GY) in ihrer Gesamtheit und auf internationaler Ebene geprüft werden,
IN DER ERWÄGUNG, dass Flavescence dorée (FD) der Rebe, die allgemein zu den GY zählt, durch Schadorganismen verursacht wird, die in vielen Weinbauländern als Quarantäneschädlinge eingestuft werden und daher einer Regelung unterliegen,
IN DER ERWÄGUNG, dass FD, deren Ausbreitung hauptsächlich durch Zwergzikaden, vor allem Scaphoideus titanus Ball erfolgt, die Gattung Vitis je nach Art und Sorte der angebauten Reben in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Intensität befallen kann,
IN DER ERWÄGUNG, dass:
- Sich in vielen Weinbauregionen weltweit, in denen Vektoren vorhanden sind, FD-Epidemien kontinuierlich ausbreiten und eine weltweite Bedrohung darstellen,
- Sich die Hygienemaßnahmen und Maßnahmen zur Vektorkontrolle in Rebschulen und Weinbergen nicht als ausreichend erwiesen haben, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern,
- Die durch FD verursachten Schäden langfristige wirtschaftliche Auswirkungen im Zusammenhang mit der Sortenanfälligkeit, der Überlebensfähigkeit erkrankter Reben, Produktionseinbußen und der Lebensdauer von Weinbergen haben,
- Obligatorische Maßnahmen zur Bekämpfung der Rebkrankheit, die auf dem Einsatz von Insektiziden beruhen, Risiken für die Gesundheit, die ökologische Nachhaltigkeit und das Gleichgewicht der Ökosysteme darstellen und zu möglichen Resistenzphänomenen führen können,
IN ANBETRACHT des folgenden Stands der Technik und der Studien im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Flavescence dorée der Rebe:
In der wissenschaftlichen Forschung konnten bisher verschiedene Infektionskrankheiten der Gattung Vitis identifiziert werden, die durch Phytoplasmen, nicht kultivierbare und Phloem-limitierte Bakterien der Klasse Mollicutes hervorgerufen werden. Bei Reben wurden Phytoplasmen verschiedener phylogenetischer Gruppen und Untergruppen ermittelt und klassifiziert, die alle ähnliche Symptome hervorrufen, aber unterschiedliche epidemiologische Merkmale aufweisen, die sich in unterschiedlichen Schweregraden, Gefahren und Schädlichkeitsgraden äußern.
Phytoplasmen, die mit FD sensu stricto assoziiert sind (d.h. durch den Hauptvektor Scaphoideus titanus übertragbar sind), werden der phylogenetischen Gruppe 16SrV, Untergruppen C und D, zugeordnet. Außer in Weinbergen treten sie häufig auch bei aufgegebenen Unterlagen und wilden Vitis-Arten oder -Hybriden sowie gelegentlich bei einigen anderen Pflanzenarten wie Clematis vitalba, Ailanthus altissima und Alnus glutinosa auf, die bei Vorhandensein bestimmter Vektorinsekten gelegentlich als Quelle für Neuinfektionen der Rebe gelten.
Die Ausbreitung von FD bei Reben erfolgt nicht nur durch Pfropfung von Stecklingen infizierter Pflanzen (veredelte Pflanzen oder Unterlagen), sondern auch auf natürlichem Wege durch Zikaden, von denen S. titanus Ball die wichtigste ist, da sie eng mit der Rebe assoziiert ist. Neuere Forschungen haben ergeben, dass die Übertragung von FD-assoziierten Phytoplasmen und anderen ähnlichen Phytoplasmen der 16SrV-C-Gruppe auf Reben gelegentlich durch andere Zikaden (z.B. Oncopsis alni, Orientus ishidae, Dictyophara europaea, Phlogotettix cyclops, Allygus sp.) erfolgen kann, die in der Umwelt vorhanden und nicht unbedingt mit Reben assoziiert sind.
Die im Laufe der Jahre durchgeführten Studien haben wichtige Ergebnisse erbracht:
- Symptome, die auf Phytoplasma-Krankheiten zurückzuführen sind, treten bei verschiedenen Phytoplasma-Arten auf und sind umfassend dokumentiert.
- Mit den aktuellen biomolekularen Diagnosetechniken können Phytoplasmen in Proben von Blättern und Trieben der Rebe mit hoher Zuverlässigkeit identifiziert werden und es kann zwischen dem Vorhandensein von Phytoplasma-Gruppen, -Untergruppen und Isolaten unterschieden werden.
- Nur durch Rechtzeitigkeit und Wiederholbarkeit von Felduntersuchungen können kranke Pflanzen bereits in der Rebschule, bei Neupflanzungen und während der gesamten Lebensdauer des Weinbergs identifiziert werden.
- Die Anfälligkeit und Toleranz/Resistenz gegenüber Phytoplasmen ist bei den verschiedenen Keltertrauben-, Tafeltrauben- und Unterlagssorten unterschiedlich ausgeprägt.
- Die Rodung und Beseitigung erkrankter Reben in der Vegetationsphase, die schnellstmöglich nach Bestätigung der Infektion erfolgen, ist eine wirksame und effiziente Prophylaxe gegen die Ausbreitung der Epidemie.
- Die Bekämpfung von Phytoplasma-Vektoren wird dringend empfohlen und erfolgt unter strikter Berücksichtigung ihrer Populationsdichte, der Phänologie und des Vorkommens von mit FD infizierten Reben.
- Bislang gibt es keine praktischen Alternativen zum Einsatz von Insektiziden zur Bekämpfung von Krankheitsüberträgern. In Zukunft könnte es jedoch möglich sein, Phytoplasma-Überträger mit immer nachhaltigeren Bekämpfungsmethoden und technologischen Mitteln zu bekämpfen (z.B. Verwirrungstechnik mittels Vibration[1]).
In Rebschulen oder vor der Neupflanzung von Reben ist die Desinfektion des Vermehrungsguts von Reben mit Heißwasser die derzeit beste Möglichkeit der Prophylaxe (Resolution OIV-VITI 565-2022).
BESCHLIESST, die nachstehend aufgeführten „Empfehlungen der OIV zur Verhinderung der Einschleppung, zur Tilgung oder Eindämmung von Epidemien durch Flavescence dorée der Rebe“ zu erlassen, die spezifische prophylaktische Maßnahmen und agronomische Eingriffe vorsehen und die bereits in der Resolution VITI OIV 3/2006 formulierten Empfehlungen ergänzen.
EMPFIEHLT, diese Empfehlungen der OIV unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen Fortschritts und der Ergebnisse im Weinbau regelmäßig zu aktualisieren.
Empfehlungen der OIV zur Verhinderung der Einschleppung, zur Tilgung oder Eindämmung von Epidemien durch Flavescence dorée der Rebe
1. Allgemeine Ziele
Die zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten[2], die ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, haben wichtige Meilensteine in der Weinbergs- und Labordiagnostik gesetzt. Die Bekämpfungsrichtlinien haben sich jedoch nicht als völlig ausreichend erwiesen, um die Ausbreitung von Epidemien in bereits von FD befallenen Weinbaugebieten einzudämmen oder die Ausbreitung auf nicht befallene Rebflächen zu verhindern. Im Gegenteil, aus verschiedenen Gründen, von denen einige nicht immer klar erkennbar sind, werden die FD-Epidemien nicht immer eingedämmt, breiten sich weiterhin räumlich aus, wenn auch langsamer als die ersten Epidemien, und verursachen im Weinbausektor erhebliche und anhaltende Schäden. Gründe dafür, dass die Ausbreitung der Epidemie nicht verhindert werden konnte, sind:
- Zum Teil fehlende Kenntnisse der Winzer über FD wie Symptomatologie, Übertragung, Sortenanfälligkeit und Strategien zur Bekämpfung der Krankheitsüberträger in kontaminierten oder nicht kontaminierten Gebieten;
- Insektizidbehandlungen, die möglicherweise nicht an das phänologische Stadium des Vektors angepasst sind, schlechte Sprühqualität;
- Aufgrund des weit verbreiteten Strebens nach nachhaltigen Praktiken, zu denen auch der nachhaltige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zählt, kann der Erfolg der gemeinsamen Bekämpfung durch die mangelnde Bereitschaft der Winzer, kranke Reben zur Bekämpfung des Vektors zu vernichten, eingeschränkt werden;
- Die Verringerung der Anzahl und des Einsatzes von Insektiziden im Weinbau gegen verschiedene Insekten (integrierte Schädlingsbekämpfung, Entwicklung der Verwirrungstechnik bei anderen Insekten, Beschränkung auf den Einsatz bewährter wirksamer Produkte) könnte zu einer weniger wirksamen Bekämpfung von S. titanus geführt haben.
- Ähnlichkeit mit anderen GY-Symptomen, z.B. Bois noir;
- Aufgegebene Weinberge, bewaldete oder unbewirtschaftete Flächen in der Nähe von Weinbergen.
1.1. Verbesserung des Wissensstandes und Wissenstransfer
Obwohl bereits umfangreiche Arbeiten durchgeführt wurden, ist es unbedingt erforderlich, die Forschung auf der Grundlage lokaler Bedingungen (agronomische, landwirtschaftliche und ökologische Merkmale der Weinbaugebiete) weiterzuentwickeln, um die Dynamik der Ausbreitung von Vektoren und Phytoplasmen besser zu verstehen und die Bekämpfungsmethoden besser zu steuern.
Unbeschadet der allgemeinen Voraussetzungen fordert die OIV die Mitgliedstaaten, ihre Pflanzenschutzdienste, territoriale Einrichtungen und Berufsverbände auf, die Ausbildung und den Technologietransfer zu verstärken und neue wissenschaftliche Forschungen zu fördern, die sich auf Aspekte konzentrieren, die kurz-, mittel- und langfristig nützliche Antworten zur Eindämmung der Ausbreitung von FD-Epidemien liefern können:
- Modellierung und Harmonisierung der Krankheits- und Vektorüberwachung, auch unter Einsatz moderner, digitaler und computergestützter Techniken;
- Interaktion zwischen Pflanze und Krankheitserreger:
- Reaktionen der Sorten auf die Infektion und andere Mechanismen (Resilienz, Immunisierung), die die unterschiedliche Anfälligkeit, Verteilung und Erhaltung von Phytoplasmen in infizierten Pflanzen regeln,
- Genetische Verbesserung der Rebe im Hinblick auf Krankheitsresistenz,
- Stimulierung der Abwehrkräfte der Rebe im Weinberg durch Elicitoren gegen die Krankheit und den Vektor;
- Rolle von FD-assoziierten Phytoplasma-Vektoren:
- Ethologie von S. titanus, seine Anpassung an den Klimawandel und Veränderungen landwirtschaftlicher Praktiken;
- Faktoren und Mechanismen der Störung des Fortpflanzungsprozesses
- Bekämpfungs- und Überwachungsstrategien,
- Biologische Pflanzenschutzmittel gegen Vektoren, einschließlich biotechnologischer Mittel;
- Bewertung möglicher unerwünschter Auswirkungen von landwirtschaftlichen Maschinen
- Vektor-Pathogen-Interaktionen: Mechanismen des Eintritts, der Vermehrung und der Übertragung von Krankheitserregern;
- Wechselwirkungen mit der Umgebung: Rolle sekundärer Wirtspflanzen, mit diesen Wirten assoziierte Vektoren und Rolle aufgegebener Weinberge;
- Wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit: Auswirkungen von Epidemien auf die Weinerzeugung, die Lebensdauer von Weinbergen, Tilgungsmethoden und ökologische und gesundheitliche Nachhaltigkeit von Insektizidbehandlungen.
1.2. Prophylaxe und Tilgungsmaßnahmen
Im Rahmen der Bekämpfung von FD-Epidemien hält es die OIV für wichtig, dass der Ausbildung und der technischen Fortbildung der Winzer und ihres Personals stärkere Bedeutung beigemessen wird. Die Unterstützung und fachliche Anleitung von Berufsverbänden und technischen Hilfsdiensten, auch kommerzieller Art, ist für die Durchführung korrekter prophylaktischer Maßnahmen, die in großem Umfang und kollektiv durchzuführen sind, unerlässlich. Die Missachtung der Leitlinien zur Krankheitsbekämpfung durch einige wenige Marktteilnehmer wirkt sich nachteilig auf die Gemeinschaft aus. Quarantänevorschriften und phytosanitäre Kontrollen in Rebschulen sind die erste Präventionsstrategie. Das mögliche Vorhandensein von symptomatischen, GY- und speziell FD-infizierten Pflanzen aus Rebschulen kann im Sommer des Jahres der Auspflanzung im Weinberg festgestellt werden. Darüber hinaus ist die Untersuchung aller jungen Reben unerlässlich.
1.2.1. Prophylaxe in FD-freien Weinbaugebieten
Es gibt immer noch Weinbaugebiete und Flächen, in denen FD nicht nachgewiesen wurde und nicht auftritt. Zudem müssen Gebiete ermittelt werden, die noch nicht von FD-Phytoplasma befallen sind, aber bereits vom Hauptvektor, S. titanus, der mit der Entwicklung der Epidemie assoziiert ist, besiedelt wurden, da in diesem Fall die Präventionsmaßnahmen verschärft werden müssen. Überwachungsmaßnahmen sind daher unbedingt erforderlich, um die Einschleppung und Etablierung des Erregers und/oder seines Vektors zu verhindern. Die geltenden Präventionsvorschriften (Quarantäne, Zertifizierung des Vermehrungsguts) können ein wirksames Mittel der Prophylaxe darstellen, ohne jedoch die absolute Abwesenheit von Phytoplasmen und Vektoren, insbesondere von Eiern von S. titanus zu gewährleisten, die möglicherweise in Rebschulen unter dem Rhytidom und der Rinde von zwei- oder mehrjährigen Trieben der Rebe abgelegt werden, wenn die empfohlenen Präventionsmaßnahmen nicht beachtet werden.
Es werden daher folgende Maßnahmen empfohlen:
- Die für Pflanzenschutzkontrolle und territoriale Überwachung zuständigen Behörden müssen anhand einer ausreichenden Überwachung feststellen, ob ein Weinbaugebiet frei von Krankheiten ist.
- Die Behörden für Pflanzenschutzkontrolle und territoriale Überwachung sind aufgefordert, zusammen mit Technikern und Winzern alle bekannten Strategien anzuwenden, um ein mögliches Vorhandensein von S. titanus und anderen identifizierten potenziellen Vektoren in ihren Gebieten (alle Lebensräume außer Weinberge, in denen Weinreben - auch verwilderte Reben und Wildreben - vorkommen können) zu ermitteln.
- Umsetzung koordinierter Präventions-, Prophylaxe- (einschließlich agronomischer) und Bekämpfungsmaßnahmen in Bezug auf S. titanus und andere mögliche Vektoren von FD-assoziierten Phytoplasmen;
- Unverzügliche Diagnosetests und Rodung von GY-symptomatischen Reben;
- Unverzügliche Meldung des Vorkommens symptomatischer Reben oder Reben, bei denen Verdacht auf FD besteht, an den Pflanzenschutzdienst oder die Gebietskörperschaften;
- Einreichung von Blatt- und/oder Triebproben für Diagnosetests in spezialisierten Labors (Pflanzengesundheitsdienste - Forschungszentren/Institute - Universitäten) zur Diagnose von Krankheitserregern gemäß bewährten und zuverlässigen Methoden der Probenahme und Aufbewahrung;
- Sofern kein positiver Befund vorliegt, Ausstellung einer amtlichen Bescheinigung über die Abwesenheit von Quarantäneschadorganismen bei Vermehrungsgut und Reben, auch im Falle des Ersatzes von Reben.
1.2.2. Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen in Weinbaugebieten, in denen FD erstmals aufgetreten ist
Wurde das Vorhandensein von mit FD infizierten Pflanzen in einem Gebiet festgestellt, das zuvor als FD-frei galt, werden zusätzlich zu den unter Buchstabe a genannten Maßnahmen die folgenden technischen Leitlinien empfohlen, um die weitere Ausbreitung der Epidemie räumlich und zeitlich so stark wie möglich zu begrenzen:
- Die positiven Untersuchungsergebnisse der entnommenen Proben sind den zuständigen Kontrollstellen und dem Winzer unverzüglich mitzuteilen, um die gesetzlich vorgeschriebenen Tilgungsmaßnahmen durchzuführen.
- Territoriale Überwachung der Krankheit und phytosanitäre Kontrollen des gesamten Weinbaugebiets und der nicht bewirtschafteten Flächen, auf denen die ersten Ausbrüche festgestellt wurden; anhand der Zahl der infizierten Pflanzen, des Ausmaßes des ersten Ausbruchs und der Ergebnisse von Molekularanalysen können Pflanzenschutzdienste und Epidemiologen ein Befallsgebiet eingrenzen und Hypothesen über den Zeitpunkt des Ausbruchs der Krankheit und ihren möglichen Ursprung aufstellen. Es ist darauf hinzuweisen, dass historischen Daten zufolge FD zwischen 2 und 9 Jahren nach dem Auftreten des Vektors in einem Gebiet identifiziert wird, wobei der Durchschnitt bei über 4 Jahren liegt (EFSA, 2019).
- Sofortige Rodung aller symptomatischen Reben jeglichen Alters oder des gesamten Weinbergs, wenn der Anteil der befallenen Reben 20 % erreicht hat;
- Überwachung und Rodung von aufgegebenen, nicht kultivierten Weinbergen und überwucherten Unterlagen, die dem Vektor als Refugium dienen und eine Krankheitsquelle darstellen können; in Gebieten, in denen Populationen von Wildreben (Vitis vinifera ssp. sylvestris) bekanntermaßen vorhanden sind und erfasst wurden, ist darauf zu achten, dass kein unnötiger Verlust an unersetzlicher genetischer Vielfalt entsteht.
- Überwachung des Vektors S. titanus auf der gesamten Rebfläche und den nicht bewirtschafteten Flächen, in Hecken, Böschungen, an Steilhängen und in Randbereichen. Kontrolle von Junginsekten an den Trieben der Reben und Überwachung von erwachsenen Insekten mit Hilfe von chromotropen Fallen, die an mehreren Stellen des Weinbergs aufgestellt werden, verstärkt in den Randbereichen des Weinbergs, insbesondere in der Nähe von Straßen, Hecken, Wasserkanälen, Brachflächen und Gebieten, in denen ein Eindringen von geflügelten Vektoren vermutet wird. Ziel dieser Überwachung ist es, die Populationsgröße der Vektoren zu bewerten und die Behandlungszeitpunkte so genau wie möglich abzustimmen.
- Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Insektenbekämpfung, einschließlich der angemessenen Anzahl von Behandlungen in den phänologischen Phasen, die von den zuständigen Pflanzenschutzbehörden für das betreffende Gebiet angegeben und wie folgt festgelegt werden:
- Erste Behandlung bei Vorhandensein von S. titanus im dritten Larvenstadium,
- Gegebenenfalls weitere Behandlungen im Jung- und Adultstadium, die von den Pflanzenschutzbehörden als notwendig erachtet werden und so rigoros wie möglich durchzuführen sind, um den Vektor zu verdrängen.
Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die zur Bekämpfung von S. titanus zugelassen sind, gemäß den Spezifikationen des ökologischen, integrierten oder konventionellen Pflanzenbaus und den geltenden örtlichen Gesetzen und Vorschriften
- Auf der Grundlage einer Risikoanalyse erfolgende Heißwasserbehandlung von Vermehrungsmaterial, das in einem befallenen Gebiet angebaut wurde
- Auf der Grundlage der oben genannten Punkte werden Tilgungsleitlinien für die Folgejahre benötigt:
- Die bereits in den vorangegangenen Punkten beschriebenen Behandlungen, auch in umliegenden Weinbergen;
- Feststellung des möglichen Vorhandenseins symptomatischer Pflanzen in der Rebschule oder symptomatischer Pfropfreben und anschließend in neu angelegten Weinbergen.
1.3. Maßnahmen in den historisch von FD befallenen Weinbaugebieten: Ausdehnungs- und Eindämmungszonen
Diese Definition bezieht sich auf Weinbaugebiete, in denen FD verbreitet war, unabhängig von der im Laufe der Zeit nachgewiesenen Schwere der Epidemie.
Unbeschadet der in den Abschnitten 1.2.2. A und 1.2.2. B genannten Maßnahmen wird folgendes empfohlen:
- Rodung symptomatischer Pflanzen,
- Insektizidbehandlungen mit möglicher Reduzierung der Anzahl der Behandlungen entsprechend der historischen Entwicklung der Epidemie in Parzellen, in denen seit einigen Jahren ein Eindämmungsprozess stattfindet, festgelegt auf der Grundlage der Verringerung der Anzahl neu erkrankter Reben und des geringeren Vorkommens von S. titanus, das anhand der Anzahl der beobachteten Larven und der gefangenen erwachsenen Insekten bestimmt wird.
- Entfernen überwachsener Unterlagen und aufgegebener Reben in der Umgebung der Weinberge. Eine wirksame und nachhaltige Bekämpfung im Weinberg erfordert ein angemessenes Habitatmanagement, damit sich die Hauptstandorte für den Befall mit S. titanus nicht außerhalb der bewirtschafteten Weinberge befinden, wo keine Spritzungen durchgeführt werden.
- Auf der Grundlage einer Risikoanalyse Heißwasserbehandlung des Vermehrungsmaterials
1.4. Maßnahmen von gemeinsamem Interesse
Um einen methodischen Ansatz für die Bekämpfung und Überwachung zu ermöglichen,
wird folgendes empfohlen:
- Validiertes Modell der Entwicklungsbiologie von Scaphoideus titanus durch offizielle Dienststellen für Landwirtschaft, um die Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen zu unterstützen und die Entwicklung und Ausbreitung des Insekts im Gebiet vorherzusagen;
- Einrichtung eines integrierten Systems zwischen Wissenschaft, Kontrollbehörden (Pflanzenschutzdienste, technische Unterstützung), Berufsverbänden, Winzern, Akteuren vor Ort und Marktteilnehmern;
- Beseitigung von potentiellen Infektionsquellen, um zu verhindern, dass Vektorinsekten infiziert werden; das Ziel der Null-Ausbreitung von FD und anderen GY und die vollständige Ausrottung von S. titanus und anderen potenziellen Vektoren kann nicht in jedem Fall erfüllt werden.
- Einrichtung einer kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung für Winzer, Berater, Techniker, Lieferanten von technischen Hilfsmitteln/Agrochemikalien in Bezug auf die symptomatologischen Besonderheiten von FD und anderen GY, die Biologie und die Infektionsmechanismen von FD-assoziierten Phytoplasmen und Vektoren, die Entwicklungen der Epidemie und Eindämmungsmethoden;
- Harmonisierung der Kriterien für die Vektorbekämpfung unter Berücksichtigung des Epidemierisikos, des Schweregrads der Krankheit, der verfügbaren technischen Mitteln und vorgeschriebenen Leitlinien.
- Optimierung und Synchronisierung der Insektizidbehandlungen auf Bezirksebene, die unabhängig vom verwendeten Wirkstoff wie folgt durchzuführen sind:
- Die Ausbringung erfolgt möglichst in den Abendstunden oder an kühleren Tagen, um eine rasche Verdunstung der Insektizidlösung zu verhindern, wobei keine Vermischung mit anderen Stoffen erfolgen darf;
- Die Behandlungen werden nicht unmittelbar nach einem Regenschauer oder starkem Wind oder einer anderen Behandlung oder anderen Arbeiten durchgeführt, um den jungen Individuen des Vektors Zeit zu geben, zur Rebe zurückzukehren;
- Es ist für eine angemessene Benetzung der Blätter zu sorgen, indem die Sprühgeschwindigkeit angepasst wird und geeignete kalibrierte Düsen und ausreichend Spritzbrühe verwendet werden, um eine vollständige Benetzung der Blätter unter Berücksichtigung der verwendeten Geräte zu gewährleisten;
- Es ist für eine gleichmäßige Ausbringung der Insektizide auf die Vegetation zu sorgen, indem geeignete Geräte verwendet und alle Rebzeilen besprüht werden;
- Die Behandlung muss sich auf den gesamten vegetativen Teil bis zum Fuß der Pflanze erstrecken; zuerst sind die Randbereiche der Parzelle zu behandeln.
- Nach Schnittarbeiten sind alle Blätter und Zweige vom Traktor und von landwirtschaftlichen Geräten zu entfernen, bevor eine neue Parzelle bearbeitet wird, um eine Einschleppung des Insekts zu verhindern.
- Optimierung der agronomischen Praktiken: Eindämmung der Laubwandentwicklung; Mähen 1-2 Tage vor den Insektizidbehandlungen; Entfernen von Schößlingen und Sauberhalten des Stammes; Entfernen von befallenen und ausgerissenen Reben; Entfernen von abgeschnittenen Trieben; Ergänzung der Insektizidbehandlungen durch andere Produkte, die nachweislich auf den Vektor eine Sekundärwirkung haben; Verwendung von Vermehrungsmaterial, das mit Heißwasser behandelt wurde, insbesondere wenn es aus infizierten Gebieten stammt.
Offizielle Referenzen
- EFSA (European Food Safety Authority), Baker R, Gilioli G, Behring C, Candiani D, Gogin A, Kaluski T, Kinkar M, Mosbach-Schulz O, Neri FM, Preti S, Rosace MC, Siligato R, Stancanelli G and Tramontini S, 2019. Grapevine flavescence dorée – Pest Report and Datasheet to support ranking of EU candidate priority pests. Zenodo. 10.5281/zenodo.2789594.
- EFSA (European Food Safety Authority), Tramontini S, Delbianco A and Vos S, 2020. Pest survey card on flavescence dorée phytoplasma and its vector Scaphoideus titanus. EFSA supporting publication 2020:EN-1909. 36 pp. doi:10.2903/sp.efsa.2020.EN-1909
- EFSA PLH Panel (EFSA Panel on Plant Health), 2014. Scientific Opinion on pest categorisation of Grapevine Flavescence Dorée. EFSA Journal 2014;12(10):3851, 31 pp. doi:10.2903/j.efsa.2014.3851
- EFSA PLH Panel (EFSA Panel on Plant Health), Jeger M, Bragard C, Caffier D, Candresse T, Chatzivassiliou E, Dehnen-Schmutz K, Gilioli G, Jaques Miret JA, MacLeod A, Navajas Navarro M, Niere B, Parnell S, Potting R, Rafoss T, Urek G, Rossi V, Van Bruggen A, Van Der Werf W, West J, Winter S, Bosco D, Foissac X, Strauss G, Hollo G, Mosbach-Schulz O and Grégoire J-C, 2016. Scientific opinion on the risk to plant health of Flavescence dorée for the EU territory. EFSA Journal 2016;14(12):4603, 83 pp. doi:10.2903/j.efsa.2016.4603
- Durchführungsverordnung (EU) 2022/1630 der Kommission vom 21. September 2022 mit Maßnahmen zur Eindämmung von Grapevine flavescence dorée phytoplasma innerhalb bestimmter abgegrenzter Gebiete.
[1] Zaffaroni-Caorsi V., Nieri R., Pugno N.M., und Mazzoni V., 2022. Effect of vibrational mating disruption on flight activity and oviposition to control the grapevine pest, Scaphoideus titanus, Arthropod Structure & Development,
69, 101173