Definition und Empfehlungen der OIV zur funktionellen Biodiversität im Weinbau
RESOLUTION OIV-VITI 677-2022
DEFINITION UND EMPFEHLUNGEN DER OIV ZUR FUNKTIONELLEN BIODIVERSITÄT IM WEINBAU
DIE GENERALVERSAMMLUNG,
AUF VORSCHLAG der Kommission I „Weinbau“ und der Sachverständigengruppe „Nachhaltige Entwicklung und Klimawandel“,
GESTÜTZT auf Artikel 2 Absatz 2 iv des Übereinkommens vom 3. April 2001 zur Gründung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein und den Schwerpunkt 1 des Strategieplans 2020-2024 der OIV „Förderung eines umweltschonenden Weinbaus“,
GESTÜTZT auf die Resolution VITI01-2002 über den Erhalt der Vielfalt,
GESTÜTZT auf die Resolution OIV-VITI 333-2010, die das Konzept des Terroirs festlegt,
GESTÜTZT auf die FAO-Definition der regenerativen Landwirtschaft und den 10 Elementen der Agrarökologie,
GESTÜTZT auf die Resolution OIV-CST 518-2016 über die allgemeinen Grundsätze des nachhaltigen Weinbaus, insbesondere auf ihren Grundsatz 2 „der nachhaltige Weinbau schützt die Umwelt“ und die Ausführungen über den Erhalt der Biodiversität,
GESTÜTZT auf die Resolution OIV-VITI 641-2020 - Leitfaden für die Anwendung der Grundsätze des nachhaltigen Weinbaus,
GESTÜTZT auf das gemeinsame Gutachten „Funktionelle Biodiversität im Weinbau“, das 2018 von der OIV veröffentlicht wurde,
GESTÜTZT auf die Resolution OIV-VITI 655-2021 – Empfehlungen der OIV zur Bewertung und Bedeutung der mikrobiellen Diversität im Kontext des nachhaltigen Weinbaus,
GESTÜTZT auf die Arbeiten der Internationalen Organisation für biologische Schädlingsbekämpfung (IOBC) über den integrierten Pflanzenschutz, die integrierte Schädlingsbekämpfung und die Landschaftspflege im Hinblick auf die funktionelle Biodiversität,
IN DER ERWÄGUNg, dass sich die internationale Gemeinschaft durch die Annahme des strategischen Plans für die biologische Vielfalt 2011-2020 im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD; 2010) und der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) für nachhaltige Entwicklung dazu verpflichtete, 17 ehrgeizige Ziele wie „Leben im Einklang mit der Natur“ und „niemanden zurücklassen“ festzulegen und dies sofortiges und ehrgeiziges Handeln erfordert, um das Leben unter Wasser und an Land zu schützen, indem der Druck auf die biologische Vielfalt und die Ökosysteme verringert wird. Insbesondere das Ziel 15 sieht vor, Landökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, Wüstenbildung zu bekämpfen, Bodendegradation zu beenden und umzukehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen
ERKENNT folgendes:
- Die biologische Vielfalt auf allen trophischen Ebenen ist für das Gleichgewicht der Ökosysteme und das Leben auf unserem Planeten notwendig; der Weinbau und seine Produktionssysteme können zu ihrer Erhaltung und Stärkung beitragen.
- Die biologische Vielfalt ist ein wichtiger Regulator der Funktionen des Agrarökosystems, nicht nur im Sinne ihrer Auswirkungen auf die Produktion, sondern auch hinsichtlich der Befriedigung einer Vielzahl von Bedürfnissen der Landwirte und der Gesellschaft im Allgemeinen.
- Agrarökosystem-Manager, einschließlich Landwirte, können auf der multitrophischen Biodiversität aufbauen, sie verbessern, verwalten, steuern und erhalten und so zur Unterstützung der wesentlichen Ökosystemleistungen beitragen, die für eine nachhaltige Weinbauproduktion erforderlich sind.
- Die Entwicklung innovativer, nachhaltiger und regenerativer Weinbauverfahren, einschließlich der Anwendung alter und/oder traditioneller Verfahren ist für die Widerstandsfähigkeit von Weinbausystemen unerlässlich. Diese agrarökologischen Ansätze und Richtlinien müssen den Schwerpunkt auf die Erhaltung und das nachhaltige Management der biologischen Vielfalt, des Bodens, des Wassers und anderer Ressourcen legen und dadurch die Effizienz der Abfallwirtschaft verbessern, um die wachsende Zahl sozioökonomischer und ökologischer Herausforderungen anzugehen.
- Biodiversität kann durch die Anwendung besserer landwirtschaftlicher Praktiken, die auf ökosystembasierten Ansätzen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit der Produktionssysteme beruhen, mehrere Vorteile bringen. Diese Ansätze entsprechen den Erwartungen der Verbraucher an Erzeugnisse, die auf umwelt- und sozialverträgliche Weise hergestellt werden.
- Die Nutzung der Vorteile der Biodiversität in Agrarökosystemen ist eine ökologische Schlüsselstrategie für die nachhaltige Gestaltung der Produktion.
- Eine breite Palette ergänzender ökologischer Infrastrukturen, die die multitrophische Biodiversität fördern, sollten in Weinberge und ihre Umgebung integriert, verwaltetet und bei der Bewirtschaftung beachtet werden.
BESCHLIESST, folgende Definition der „funktionellen Biodiversität“ im Weinbau zu übernehmen:
Die funktionelle Biodiversität (FB) ist definiert als eine Reihe von Organismen, Mikroorganismen und deren Arten, die zu den Ökosystemfunktionen in einem Agrarökosystem beitragen und die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit von Produktionssystemen fördern. Sie bezieht sich auf den nutzenorientierten Teil der biologischen Vielfalt, der für Landwirte von direktem oder indirektem Nutzen sein kann (z.B. biologische Schädlingsbekämpfung).
Die funktionelle Biodiversität zielt darauf ab, ökologische Infrastrukturen (Hecken, Wälder, Trockenmauern, Bodendecker, Insektenhotels usw.) und Bewirtschaftungspraktiken (z.B. Deckfrüchte, Nutztiere, mikrobielle Beimpfung usw.) zu integrieren, um Ökosystemleistungen und die biologische Vielfalt im Weinberg und in seiner Umgebung zu fördern und seine Bewirtschaftung zu verbessern, indem die Produktionsqualität gesteigert wird und die Qualität und Funktionalität der Landschaften wiederhergestellt und erhalten wird.
EMPFIEHLT
A. DEN MITGLIEDSTAATEN,
- das Konzept der FB zu fördern, indem die Vorteile berücksichtigt werden, die sich aus seiner Einführung bei der Bewirtschaftung des Weinbergs ergeben können,
- die Entwicklung und Förderung des Konzepts der FB und seine Anwendung im Weinbau als wichtiges Instrument zur Förderung der Nachhaltigkeit im Weinbausektor zu unterstützen,
- die Einführung öffentlicher Maßnahmen zur Förderung der FB in den Agrarökosystemen zu unterstützen und ihre Ergebnisse zu bewerten.
B. DER WISSENSCHAFTLICHEN GEMEINSCHAFT,
- gezielte Maßnahmen zur Überwachung, Bestandsaufnahme und Erhaltung der bestehenden biologischen Vielfalt in Weinbergen und ihrer Umgebung zu fördern, indem die aktuelle Situation der bestehenden Ökosysteme (Zustand oder Status) und aktuelle Entwicklungen als Reaktion auf Störungen durch menschliche, klimatische oder andere Stressoren (Tendenz) analysiert werden,
- die biologische Vielfalt der Organismen, einschließlich in der Rhizosphäre zu bewerten und nützliche Mikroorganismen zu identifizieren, die in nützlicher Wechselbeziehung mir der Rebe leben und zu deren Wohlbefinden sowie zur Stimulierung der Selbstschutzmechanismen beitragen können,
- die Auswirkungen der FB auf die Landschaft und das Terroir in Weinbergen und ihrer Umgebung mit sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Folgen aufzuzeigen, auch im Zusammenhang mit dem Tourismus,
- die Studien und Entwicklungen von Instrumenten zur Beurteilung und Bewertung der Rolle und der Bedeutung der FB im Weinbausektor laufend kritisch zu prüfen und mindestens alle drei Jahre eine Zusammenfassung zum aktuellen Stand zu veröffentlichen.